Daniel-Kish-Seminar des BEBSK e.V.
Bad Homburg - 20 Kinder lernen die Klick-Sonar-Technik, eine menschliche Echo-Ortung
Sofia schnalzt mit ihrer Zunge. „Lasst uns den nächsten großen Gegenstand finden“, sagt Daniel Kish. „Genau vor uns ist etwas“, antwortet die Achtjährige und versucht mit ihrem Blindenstock etwas zu ertasten. Sofia, im hübschen Schmetterlingskleid, soll um den Baum herumlaufen, ohne ihn zu berühren. Dabei weiß sie nicht, dass es ein Baum ist. „Unten kann man durchkrabbeln“, sagt Niklas. Niklas ist acht Jahre alt, kommt aus Calden bei Kassel und ist mit zwei Jahren erblindet. Neurofibromatose, Tumoren befielen seine Sehnerven. Niklas geht auf eine Regelschule, hat einen Orientierungstrainer. „Er soll einfach mal schauen, ob das hier zu ihm passt“, sagt seine Mutter Arina Wetzel, während Niklas sich eine Fanta einschenkt. Glas an die Flasche, Finger ins Glas, um zu spüren, wann es voll ist.
Die Kinder machen bei einem Klick-Sonar-Seminar mit. Klick-Sonar ist eine Schnalztechnik, mit der Kinder – wie Fledermäuse – über den Schall des Schnalzers ein Echo hören und so den Abstand sowie die Größe eines Gegenstandes abschätzen können.
„Die visuelle Seite des Gehirns wird angesprochen“, sagt der US-Amerikaner Kish, der die Technik weltweit lehrt. „So entstehen Bilder im Kopf, das erfolgt über das Hören wie auch über das Fühlen.“ Deshalb gehört zu der Technik auch ein langer Blindenstock. Das Geräusch verbreitet sich, und Oberflächen, etwa von Gebäuden oder Pflanzen, sendet eine Information zurück. „Jede Oberfläche ist anders“, so Kish.
„Es geht um Freiheit“, sagt der Trainer, derselbst vollständig erblindet ist. Stolz berichtet er, dass schon am zweiten von insgesamt drei Seminartagen Eltern Kinder mit ihren Stöcken alleine losziehen lassen. Zwischen zwei und 13 Jahre sind die 20 Kinder alt, die sich mit ihren Familien dreiTage in der Bad Homburger Jugendherberge treffen, um die Technik von Kish und seinem belgischen Kollegen Tom de Witte zu erlernen.
Leonie ist acht und in einer Dreier-Gruppe mit Soia und Niklas. Sie versucht sich gerade den Weg vom Garten der Jugendherberge ins Innere zu erarbeiten. „Ich finde die Terrasse nicht“, ruft sie ihrem Vater zu. Sie klatscht in die Hände und folgt dem Echo der Wand. Leonie kam ohne Augäpfel zur Welt. Sie hat schon Strategien, um sich zu orientieren. Als Kleinkind benutzte sie Schnalzlaute, doch das stellte sie irgendwann ein. „Zu Hause nutzt sie ihre Stimme, sie singt viel“, sagt Mutter Tanja Busche. Außerdem legt Leonie die Hand auf den Boden oder klatscht. „Wir wollen ihr eine andere, eine weniger aufällige Methode zeigen, die sie leicht anwenden kann, ohne dass andere es mitbekommen“, sagt Busche.Eineinhalb Stunden streift Leonie mit Sofia, Niklas und Daniel Kish durch den Garten der Jugendherberge, nach einer Pause geht es auf dem Spielplatz weiter.
Sofia ist mutig. Die Achtjährige kämpft sich durch Büsche und unter Bäumen hindurch – und hört genau hin, was Kish ihr sagt. „Ich merke, wenn eine Wand kommt, ich kann abschätzen, wo ein Baum steht“, sagt das Mädchen aus Rheinland-Pfalz. „Ich denke, es ist eine gute Art sich zu orientieren und ich werde diese Technik weiterhin benutzen.“
Organisiert hat den Workshop die Bundesvereinigung der Eltern blinder und sehbehinderter Kinder, dessen zweite Vorsitzende Angelina Herwig ist. Sie kannte Kish aus den Medien, auf Elterninitiative hat der Verein ihn nach Bad Homburg geholt. „Blinde Kinder können viel: Fahrradfahren, Reiten, Klettern“, sagt die Kasselerin. Es gehe darum, den Kindern eine zusätzliche Methode beizubringen. Bei Kish und de Witte lernen sie spielerisch. Die beiden vermitteln, dass es für Blinde keine Grenzen gibt.
Auch Felix, der siebenjährige Sohn von Herwig, lernt das Schnalzen, auch wenn er, wie er sagt, „eh ein gutes Gehör“ hat. „Manchmal gibt es aber iese Gegenstände, die man weder mit Schnalzen noch mit dem Stock bemerkt“, sagt er. Am Vormittag ist er gegen einen Stehtisch gestoßen.
Quelle: Frankfurter Rundschau – Miriam Keilbach