24.03.2024, 16:00 Uhr - 28.03.2024, 14:30 Uhr | Marburg

Fit für die Schule – Wir lernen lebenspraktische Fähigkeiten für den Schulalltag: Ein Kurs für blinde Schülerinnen und Schüler im Alter von 9 bis 13 Jahren

Mehrtägig
Diese Veranstaltung aus dem Jahr 2024 ist Teil unseres Veranstaltungsarchivs.

Die selbständige und erfolgreiche Bewältigung des Schulalltages setzt eine Vielzahl alltagspraktischer Kompetenzen voraus. So müssen Kinder Ordnung in ihrem Schulranzen und an ihrem Arbeitsplatz halten. Für den Sportunterricht müssen sie sich allein ausziehen können, ihre Kleidung geordnet ablegen, wiederfinden und wieder anziehen und sich an ihren Schuhen die Schnürsenkel selbständig binden können. Im Unterricht wird erwartet, dass sie mit der Schere umgehen, einen Locher oder Hefter bedienen oder Arbeitsblätter geordnet abheften können. Bei Ausflügen und Klassenfahrten wird vorausgesetzt, dass Kinder sich beispielsweise das Brot selbst schmieren können, sich Getränke eingießen und warme Mahlzeiten mit Messer und Gabel essen können. Ebenso wird davon ausgegangen, dass sich die Kinder allein waschen, sich die Zähne selbständig putzen und sich morgens und abends ohne Hilfe allein an- und ausziehen. Auch sollten die Kinder lernen mit Geld soweit umgehen können, dass sie kleinere „Einkäufe“ erledigen können und sich beispielsweise in einem Laden eine Süßigkeit kaufen können.

Für sehende Kinder stellt der Erwerb dieser Fähigkeiten in der Regel kein Problem dar und sie werden im schulpflichtigen Alter gut bewältigt. Für blinde Kinder ist das Erlernen solcher Fertigkeiten aufgrund des Ausfalls des Sehens dagegen weitaus schwieriger. So entfällt die Möglichkeit des Lernens durch Beobachtung und Nachahmung und die Kinder erhalten weniger Anregungen und Anreize, Alltagshandlungen eigenständig auszuführen. Blinde Kinder müssen für die Ausführung lebenspraktischer Handlungen systematische Handlungsstrategien und Techniken einsetzten, um die fehlende visuelle Kontrolle zu kompensieren. Daher setzt das Erlernen lebenspraktischer Fähigkeiten (LPF) bei blinden Kindern i.d.R. die gezielte fachkundige Anleitung und Schulung durch besonders ausgebildete Fachkräfte voraus (LPF-Lehrer; Fachkräfte der Blinden- und Sehbehinderten- Rehabilitation).

Die Förderung Lebenspraktischer Fähigkeiten gehört gemäß den ‚Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Sehen‘ (Beschluss der Kultusministerkonferenz von 20.03.1998, S. 2 und S. 7f) zu den Zielen und Aufgaben der sonderpädagogischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf im Förderschwerpunkt Sehen. Da die Schule nicht allem Lernbedarf im Bereich Lebenspraktische Fähigkeiten entsprechen kann, sind zur Förderung in diesem Bereich schulische und außerschulische Kursangebote ausdrücklich vorgesehen (ebd., S. 7).

In dem vorliegenden Kursangebot, das sich an blinde Schülerinnen und Schüler im Alter von 9 bis 13 Jahren richtet, sollen altersangemessene lebenspraktische Fähigkeiten geschult werden, die die Schulbildung erleichtern und, vor allem bei 

inklusiv beschulten blinden Kindern, die gleichberechtigte soziale Teilhabe am schulischen Leben fördern.

Die Schulungsinhalte werden auf den Förderbedarf des einzelnen Schülers abgestimmt und beziehen sich auf die folgenden Bereiche:

−  An- und Ausziehen (z.B. Umgang mit Verschlüssen), Ordnungs- und Ablagesystematik für die Kleidung (z.B. Aufhängen an Haken, Stuhllehne, Bügel)

−  Körperpflege (z.B. selbständiges Waschen / Duschen, Zahnpflege, Haarpflege, Dosieren und Anwendung von Pflegemitteln)

−  Essenstechniken (z.B. Getränke einschenken, Schneide- und Streichtechniken; Orientierung auf dem Teller, Essen mit Messer und Gabel)

−  Arbeitstechniken und Arbeitsplatzorganisation (z.B. Umgang mit Schere, Hefter, Locher und Klebestiften, Ordnungs- und Markierungssystematiken)

−  Umgang mit Geld und Einkaufen (z.B. Geldunterscheidung, Bezahlvorgang am Tresen oder an der Kasse)

Grundlagen der individuellen Förderung sind die Darstellung des Förderbedarfs aus Sicht der Schule und aus Sicht der Eltern sowie die Beobachtungen der unterrichtenden Rehabilitationsfachkräfte zu Beginn und im Verlauf des Kurses.

Die Schulung erfolgt im Einzelunterricht durch ausgebildete Rehabilitationsfachkräfte.

Der Transfer der erlernten Fertigkeiten in den Alltag wird durch die Organisation des Kurses als 4-tägiger Kompaktkurs mit Übernachtung unterstützt. So können die unterrichtenden Rehabilitationsfachkräfte tägliche Alltagssituationen wie die morgendlichen Verrichtungen (Waschen; Zähneputzen, Kleidung aussuchen, Anziehen) und die gemeinsamen Essenssituationen begleiten, um zu überprüfen, wo ein Kind ggf. noch Schwierigkeiten hat, und gezielte fachkundige Hilfestellung geben. Diese Anleitungssituationen erfolgen mit einem Betreuungsschlüssel von 3 Fachkräften und 7 Kindern.

Der Unterricht, der i.d.R. vormittags erfolgt, wird nachmittags durch ein attraktives Freizeitprogramm ergänzt, das durch erfahrene Internatspädagog*innen der blista geleitet wird. Auch hier können die Kinder die erlernten Kompetenzen in Alltagssituationen, wie z.B. beim Einkaufen, beim Bezahlen im Kino oder einem Besuch in einem Café festigen. Die Unterbringung erfolgt in einer Internatswohngruppe der blista, in der auch nachts eine Erzieherin / ein Erzieher als Nachbereitschaft zugegen ist.

Über die Förderung der lebenspraktischen Fertigkeiten hinaus verfolgt die Form des Kompaktkurses für eine Gruppe blinder Kinder das Ziel, vor allem inklusiv beschulten Kindern die wichtige Möglichkeit zu bieten, andere Kinder mit einer vergleichbaren Behinderung kennenzulernen und sich miteinander auszutauschen. Zu erleben, dass man nicht der oder die einzige Jugendliche mit einer Sehbeeinträchtigung und den damit verbundenen Besonderheiten ist, stellt gerade im Jugendalter eine wesentliche Voraussetzung für eine positive Identitätsentwicklung und die Entwicklung von Autonomie und Selbstbestimmung dar.

Veranstalter / Kursort:

Rehabilitationseinrichtung für Blinde und Sehbehinderte - RES,
Am Schlag 2 - 12, 35037 Marburg. Die Unterbringung erfolgt in einer Internatswohngruppe der blista.

Zeit:

Sonntag, 24.03.2024 (16:00 Uhr) bis Donnerstag, 28.03.2024 (14:30 Uhr)

Zielgruppe:

Blinde Schülerinnen und Schüler im Alter von 9 bis 13 Jahren, die keine weiteren schwerwiegenden Behinderungen aufweisen.

Teilnehmerzahl:

Maximal 7 Schülerinnen und Schüler

Schulungsumfang:

27 Unterrichtsstunden (a‘ 45 Min.) pro Schüler (ohne Freizeitprogramm). Aufgrund der Gestaltung einzelner Unterrichtseinheiten in Kleingruppen von 2 – 3 Schülern bzw. einem Betreuungsschlüssel von 3:7, entspricht dies umgerechnet einem Einzelunterricht von 23 Unterrichtsstunden für jeden Schüler.

Lehrkräfte

Die Schulungen werden durch Rehabilitationslehrer bzw. Rehabilitationsfachkräfte für Blinde und Sehbehinderte durchgeführt. Das Freizeitprogramm und die Nachbereitschaft werden durch Pädagog*innen des Internats der blista geleistet.

Kosten

Schulungskosten LPF (23 Unterrichtsstunden): 1.909,00 € / Teilnehmer Unterbringung, Verpflegung und Freizeitprogramm: 853,42 € / Teilnehmer

Das Seminar stellt eine Unterstützung für eine angemessene Schulbildung dar und ist bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 112 Abs. 1, Nr. 1 in Verbindung mit 75 Abs. 2, Nr. 1 SGB IX unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Eltern als Leistung zur Teilhabe an Bildung förderfähig.

Anmeldeschluss:

09. Februar 2024

Weitere Informationen und die Dokumente zur Anmeldung erhalten Sie in der Geschäftsstelle unter geschaeftstelle@bebsk.de